Die Entwicklung der Flusswellenszene im München

  • Boardmag
  • 28.01.2011

xxxReportage von Ingo Hildebrandt

München, sommer 2010

 

 

Die Entwicklung der Flusswellenszene im München

 

 

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Die Isar bei Hochwasser



Doppelter Handschlag:

„Sorry dudes, ich schau mir das nicht länger an,..., was wollt Ihr eigentlich mit 20 Leute beim Warten, so geht das nicht weiter“.

„Surfen für die Wissenschaft“ war letztes Jahr.

 

Die letzte wissenschaftliche, sportdidaktische Arbeit wurde beim Lehrstuhl für Angewandte Sportwissenschaften im Sommer 2009 an der Technischen Universität München abgegeben. Thema der Arbeit war, die Untersuchung des Parameters Herzfrequenz im Rahmen eines koordinativen und konditionellen Anforderungsprofils von Flusswellensurfer am Beispiel des Eisbaches in München.

 

Der Eisbach in München galt als der „Riverwavespot“ und wurde in der „Bibel der Surfer“, dem „Stormrider Guide Europe“, lang als einzigartiges Phänomen beschrieben. An der Flosslände befindet sich eine weitere Surfsportmöglichkeit.

 

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  Flossländenfeeling

 

Dank technischer Entwicklung wurde die Idee von künstlichen Flusswellen kopiert und in verschiedenen Erlebnis- und Freizeitbädern bis heute weltweit umgesetzt. Dieser Bau von Wellenkraftwerken ist in dem Surfmagazin Tide ebenfalls aufgegriffen und z.b für verschiedene Flusswellenhallenbäder darin beschrieben.

 

 

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Alpamare

 

Ab Mitte der 90ziger Jahre gab es eine zunehmenden Suche nach natürlichen surfbaren Flusswellen. Seit knapp einem Jahr ist auch der Film „keep surfing" am Start. Der Film thematisiert die Entwicklung des Flusswellensurfens in München und an anderen Riverwavespots weltweit. Eine Folge des Films ist ein zunehmender Hype an der Eisbachwelle und ein ungewolltes Ansteigen des Show-Surfens.

Der Kern der Szene ist nicht immer darüber so erfreut, denn zuviele Surfer heißt Warten. Schon lange gilt München mit dem Eisbach als heimliche Flusswellen-Surfmetropole Deutschlands. Die Möglichkeit dort auf einer stehenden Welle auf einem Fluss zu surfen und somit das Abreiten einer Meerwelle zu simulieren, galt als einzigartig.Beim Flusswellensurfen hat der Surfer eine theoretisch zeitlich unbegrenzte surfbare Welle.

 

„An dieser stehenden Welle lassen sich alle Manöver surfen, die auch im offenen Meer möglich sind“.Daraus ergibt sich die Faszination des Surfens auf einer stehenden Welle. Durch verschiedene Veranstaltungen und Protagonisten ist das Surfen am Eisbach im Moment auf einem hohen Nivau, mit einem beeindruckenden Potential an Trickvarianten der Surfer (Video).

 

 

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Tao Schirrmacher - Eisbach bei Nacht
 
 

Mehr zu sehen , ist auf der core seite www.fus-crew.de

Am Lehrstuhl für Bewegungs- und Trainingslehre der TU München schrieb Tina Ute Matschkur ihre Dissertation „Biomechanisch - kinemetrische Bewegungsanalyse und Ansätze zur Bewegungsteuerung für ein Training im Wellenreiten“ (2002).

Des Weiteren sind zwei Diplomarbeiten im Lehrstuhl für Soziologie vorhanden: Markus Fortleff sowie Florian Winklmeier untersuchten 2005 und 2006 die Münchener Flusswellensurfszene und den „ Bavarian-surf „.

Als demographische Entwicklung ist z.B.beschrieben, „daß die Population der Surfer sich im Altersdurchschnitt zwischen 17 und 27 Jahren hauptsächlich gruppiert“.

Die aktive Durchschnittsanzahl bei einer Session beträgt 15-20 Surfer. Durch die hohe Anzahl der Surfer kommt es untereinander im Moment auch zu aggressiven Spannungen, bzw. zu schlechter Stimmung. Das wird auch dadurch begründet, daß nicht eingewiesene Surfer versuchen die Welle zu surfen.


 

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Locals am Spot
 

Auch die niedrige Wassertemperatur zwingt einen beim crowdsurfen im Sommer zu Konzentrationspausen, für die meisten nach einer halbenstündigen Session auf der Brücke.Flussabwärts treiben lassen nach einer ruhigen Turn on Turn Fahrt bedeutet für viele eine längerere Sonnenpause auf der Wiese. Durch die verschiedenen alternativ ausgeübten Sportarten Slackline, Frisbee werfen, Hakysak ,Caporeira oder das Skaten am Parkplatz sind weitere Sportarten, die auch die Surfer zum Aufwärmen hier im Englischen Garten ausüben. Nicht zu vergessen sind auch die Aktivitäten flussabwärts Schwimmen und Tauchen im Eiskanal durch den Englischen Garten und per Strassenbahn oder zu Fuss zurück.

 

 

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Der englische Garten – Die „Badezone“


Während der individuellen Fahrt setzen fortgeschrittene Surfer nicht nur turn on turn, sondern machen switch tricks, fahren fakie und floaten die Welle. Zu den innovativsten Fahrern gehören Tao Schirrmacher, Andreas Jobst und der amtierende ADH und Vize Deutsche Meister am Meer Gerhard Schlegel.

 

Wer keine Erfahrung am Meer hat oder an anderen Flusswellen gesurft hat und unbedacht ins Wasser geht, kann böse Überraschungen erleben.Das Gefahrenpotential am Eisbach ist zwar geringer wie auf den offenen Isarwellen ist aber für einen Anfänger oft nicht abzuschätzen.Selbst erfahrene Surfern holen sich oft einen blaugrünen Fleck ab, sowie Schnitt und Schürfwunden durch Finnen, Nose oder Tail. Die Blessuren werden zumeist nach dem Surfen auf der Welle, in der zweite Welle bzw. mit dem Kontakt am Boden mit dem Board zugezogen. Die Holzbalkenseite ist die ungefährlichere Seite, bei der Steinmauer ist die Gefahr eines Saltos, mit Schlag auf dem Kopf und Rücken möglich.


Das 1.Munich Surf Festival :wie München sich gibt

 

Schlammig braungrün war das Isarwasser in München zum Zeitraum des 1. Munich Surffestivals. Der Isarswell sorgte dafür, daß die F-U-S Crew (www.fus-crew-de) komplett auf den verschiedenen Wellen an der Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke unterwegs war. Dazu war ein Stand der F.U.S. Crew im Etablissemt des Deutschen Museums aufgebaut.

 

Das Mysterium Reichenbach : Die Welle, die eigentlich schon lange nicht mehr laufen sollte!

 

 

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Die Reichenbachwelle, Soulsurfer und Münchener Local Marco Lapena

 

 

Durch Niederschlag im Alpenvorland, z.b. Lenggries in die zuströmenden Arme der Isar (Loisach), kann es innerhalb von wenigen Stunden zur Hochwasserwelle und Entstehung der Isarwelle kommen. Diese Welle gilt als beste innerstädtische surbare Flusswelle der Welt. Eine angenehme Session bedeutet nicht mehr als 8 Leute wie z.B. mit Gerry Schlegel, Andi Jobst, Oli, Dave und den Zwillingen Alexis und Tom.

Dies war zum zweitenmal innerhalb von 8 Wochen an einem Sonntagmorgen der Fall.

Die Einstiegsmöglichkeiten sind vom extremen Bomb Drop mit Anpaddeln in die Welle oder mit seitlichen Reingleiten und Take off möglich.

 


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Bomb Drop Einstiegsmöglichkeit mit hohem Adrenalinkick

 

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Andreas Jobst

 

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 Simon Strangfeld

 

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 Quirin Stamminger

 

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 Tao Schirrmacher

 

 

Anders wie am Eisbach ist man hier über seinen Hintermann dankbar, den dieser gilt als Retter bzw. weist einen darauf hin, wenn in der Isar Gegenstände wie schwimmende Baumstämme oder sonstiger Müll flussabwärts auf einen zu treiben.

Nach dem Surfen auf der Isarwelle gibt es 2-3 Ausstiegsmöglichkeiten. Nach Alexis und Andis Aussagen sei doch verwunderlich, daß die Reichenbachwelle diesen Sommer so gut läuft. Wer gegen die Umbaumassnahmen und für das weitere Surfen an der Reichenbach den lokalen Surf supporten will, kann auf www.rettet-die-reichenbachwelle.de voten.

 


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Übliche Diskussionen mit der Polizei

 


Durch den Untergrund hat die Welle links ein etwa 8m breites und 2m hohes Face.

In der Mitte ist ein Weisswasserhexenkessel mit Bubbles und einer Breite von etwa 4m, wo Take offs schwierig sind. Man muss diese Zone mit viel Speed immer überqueren, d.h. man muss möglichst mit Spray und Anlauf aus dem linken Teil der Isarwelle auf das rechte offene Face kommen. Rechts in dem Bereich wo der gesprungene Take off gelandet wird muss man auch aufpassen, da in dem Teil der Strom einen in das Rücklaufbecken ziehen kann.

Fazit: Wer den Take off geschafft hat, sollte vor allem auf dem linken Teil der Welle surfen. Das Face erlaubte bei dieser Session gesprungene Tricks und Floater von Andreas Jobst und Simon Strangfeld.

100 % Motivation für Surfsession im Wasser und ein guter Fitnesszustand sind dabei selbstverständlich für die Beiden. Als Freesurfer entscheidet Tao immer selbst für sich ob ihm die Bedingungen taugen, oder ob er sich entspannt und lachend mit den täglichen Problemen beschäftigt.

 


Stichwort „Freesurfer“

 


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Tao Schirrmacher und...

 

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...Florian Kummer auf offenen Flusswellen in Frankreich

 


Durch den öffentlichen Druck der von der Münchener Surfgemeinde ausging, sowie der Veröffentlichung des Dokumentationsfilmes „Keep Surfing“ kam es im März 2010 zur Legalisierung des Surfens am Eisbach. Die Warnschilder wurden entfernt, die Rampenkonstruktionen optimal eingesetzt. Es wird auf den neu aufgestellten Schildern der Stadt in Englisch auf die Gefahr des Flusswellenreitens und Schwimmens hingewiesen und der Alkohol und Drogenkonsum während des Surfens untersagt.

 

 

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Die alten Warnschilder, die zu viel Diskussion führten...

 


Die Unterschriftaktionen, die durch die websites www.rettet-die-eisbachwelle.de und www.wellen-fuer-muenchen.de, zeigt das nun ein Mehrbedarf an Surfspots nicht nur bei Hochwasser existiert. Die bisherigen Spots insbesondere die Flosslände sind durch zu viele verschiedene Faktoren als nicht ausreichend für die Münchener Surfzene zu sehen. Das Flusswellensurfen hat sich von einer Münchener Randsportart Mitte der 70er zu einer weltweiten Trendsportart entwickelt.


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Auch im Winter machbar: Surfen im Englischen Garten

 

Die lokale und familiäre Atmosphäre der eingeschworenen Surfgemeinde besteht noch. Am allermeisten auf der Wiese direkt am Haus der Kunst. Im Gegensatz zu der grossen Wiese auf der anderen Seite bleiben hier abends keine Müllberge liegen. Aktuell setzt sich eine Initiative stark für verschiedene Ausbauten und Umbauten ein, die z.T. direkt an der Welle am Eisbach umgesetzt werden.

Ein weiteres Interesse der Initiative ist auch der Ausbau der Flosslände. Dies soll dazu dienen, dass eine bessere Verteilung der Surfer stattfindet. Die Anzahl der Surfer hat sich in Laufe der Jahre stetig vermehrt, auch die Frauenquote hat sich erhöht. Ser F.U.S., sagen eigentlich die Locals immer zueineinander, wenn es aber zu voll wird, dämpft das aber die Stimmung. Es kann vorkommen, daß nicht zur Crew gehörenden Flusssurfer weggeschickt werden.

Bestes Motto im Sommer an Wochenenden ist also „Short Cool Down and respect the bether one, who has trained in the winter for.“


 

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In München ist eine etablierte Surfszene zu finden, die an den Spots Eisbach, im Englischen Garten, an der Flosslände, im Münchener Stadtteil Thalkirchen, und bei Hochwasser an der Wittelsbacher und Reichenbacher Brücke an der offenen Isar surft. Während am Eisbach die Antwort nach dem „Hype“ zunächst eine „Localismattitude“ der Eisbachsurfer hervorrief, kam es zur Anerkennung der Flusswellensurfer als Surfer, in München als „urbane Surfer“(Clemens 2006), (Winklmeier 2006).

Dies wird zum Beispiel am Interesse der Surfindustrie an der Vermarktung der Flusswellenwettkampftour gezeigt. Diese Wettkampfreihe, die Stopps in Österreich, der Schweiz und in München hat, wird seit 2003 alljährlich ausgerichtet. Seit 2004 gibt es einen eigenen, unabhängigen internationalen Dachverband, die World River Surfing Association (www.surfrivers.net).

Neben dem in München existierten Verein „ Grossstadtsurfer e. V.“ (www.grossstadtsurfer.de), gegründet 2000, gibt es auch noch die Alberta River Surfing Association in Kanada.


 

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 Der flosslände contest, ein come together der besonderen Art

 


Die Entwicklung des legalen Surfens ist auch Teil der Olympischen Bewerbung 2018 der Landeshauptstadt München.


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Der Eisbach in der Presse


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Der Olympiapark, Symbol der olympischen Bewerbung der Stadt München

 


Der Stein kam ins Rollen durch die Werbung des Tourismusverbandes, der mit Stadtmentalität in bayrischer Art und Weltoffenheit und der eigentlich friedvollen Art der Surfer wirbt.

Was kann die Flusssurferszene für die Stadtbewerbung für Olympia 2018 tun?

Nach dem der Vorschlag von Tina Matschkur, die das Meeressurfen als Olympische Disziplin in Griechenland in Ihrer Dissertation erwähnt, könnte man sich vorstellen, daß das Flusssurfen besser in Frage kommt. Insgesamt ist durch die nun gerade ins Stocken geratene Bewerbung der Stadt München, wie aktuell in der SZ und FAZ 14.7.2010 beschrieben, daß Flusswellensurfen für die Olympiabewerbung auch der Eisbach als mögliche Disziplin vorzustellen.Als Show oder Integration in das Sportprogramm zum Beispiel. Das Potential der sehr guten Flusssurfer haben Interesse die Möglichkeit einer neuen Sportart hier zu realisieren. Damit verbunden sind zwar standardisierte Bedingungen und das DOSB Reglement, was wohl noch für Diskussionen führen wird.

Statement: Dieter Wallauer


Dieter, der als erster Surfshopbesitzer vor 10 Jahren das Surfbusiness in München ankurbelte (erster Münchener Surfshopbesitzer : blue wave), sieht beim ersten Hinblick das aktuelle Surfgeschehen mit einem Zwinkernden Auge und einem verschmitzen Lächeln.

Sein Engagement sind wohl als roots zu bezeichnen. Gerade Ende der neunziger waren mit der swatch Welle und den vielen verschiedenen internationalen Einladungen, München und der Eisbach die Wiege des Flusssurfens. Daraus ergab sich das München in den Mittelpunkt von verschiedenen Interessen aus Politik, Wirtschaft und Medien.

Verschiedene Zwischenfälle, z.T. die Localismattitute zeigten auf, daß verschiedene Konflikte nicht gelöst wurden, und immer wieder eine soziologische Gruppenbildung von Surfern sich bildete. Die Pro Argumente, die die Verantwortung in die Hände der I.G.S.M. legte, führten deutschlandweit zu Unterschriftaktionen. Der Fortschritt war die Legalisierung der Eisbachwelle dieses Jahr.


 

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Autor: Ingo Hildebrandt

Bildmaterial und Rechte bei: Dieter Verstl, Alexander Foerderer, Ingo Hildebrandt

 Aktuelle Links:

www.fus-crew.de

www.rettet-die-eisbachwelle.de

www.grossstadtsurfer.de

www.eisbachwelle.de